Zur Einstimmung auf die WM in England, einem Terrain, in dem noch keine von uns VDP-Mädels je geflogen ist, haben wir uns als erstes mit dem Wetter beschäftigt. England, das klang in unseren Ohren schon nach regnerisch, wechselhaft und so baten wir Walter Hermann als Meteorologen uns doch ein wenig mit dem zu konfrontieren, was uns erwarten würde. Bei seinem Vortrag fiel es ihm schwer, für den Zeitraum der WM positive Wetterbeispiele zu finden, denn hätte die WM in 2020 oder 2021 stattgefunden, wären wir nur mit 1-3 Wertungstagen dabei gewesen. Wir versuchten die ernüchternden Informationen mit Galgenhumor zu nehmen und stimmten uns darauf ein, dass im Jahr 2022 alles anders werden würde, denn für uns Mädels würde es bestimmt einen Jahrhundertsommer geben.

Und dann schien es tatsächlich so zu kommen. Bei der Anreise und in der Trainingswoche hörte man Klagen über die hohen Temperaturen, aber vor allem das Jubilieren über gigantische Basishöhen, Bilderbuchwolkenhimmel und fantastische Schnitte.

In den Trainingstagen wagte sich fast jede mal – abseits der Trainingsaufgaben – an die Ostküste zu einer markanten Einbuchtung namens „The Wash“. Wir waren begeistert!

Die enormen Basishöhen brachten allerdings ein ganz anderes Problem mit sich – die atemraubende Luftraumsituation. Lufträume, wo man nur hinschaut, das ganze Land ist voll von Flugplätzen, leider haben die meisten davon einen Kreissektor, der je nach Höhe zu meiden ist und ein regelrechtes Slalomfliegen fordert. Befremdlich für uns war auch ein Luftraum der „Deventry Box“ genannt wurde, der zwar morgens beim Briefing geöffnet wurde, den man aber erst nutzen konnte, wenn einem der Teamcaptain vor dem Einfliegen bestätigte, dass dieser noch offen ist.

Man stelle sich nun 8 Pilotinnen auf einer Funkfrequenz vor, von denen in jeder Klasse auch Teams fliegen, die an unterschiedlichen Stellen, mit unterschiedlichen Lufträumen konfrontiert sind.
„Achtung der Kringel voraus ist ganz gesperrt!“, „Nein, da können wir drüber, ist ne Matz!“, Ne ich mein den anderen auf 11 Uhr!“, „Ah, oh, der, der ist nur für Hubschrauber gesperrt. Boden, ist das so? Bitte bestätigen!“, „Achtung, voraus nur noch 5500 Fuß“, „Ja, aber wenn wir die Wolkenstraße rechts nehmen, können wir bis FL 65 gehen“ … – und das ist nur eine kleine Kostprobe!

Aber schon nach dem ersten Wertungstag verringerte sich die Höhenproblematik drastisch, da englisches Wetter einsetzte. Gleich der zweite Tag der WM wurde zum Ruhetag deklariert, damit man den Regeln genüge getan hat und nicht später einen gut fliegbaren Tag neutralisieren muss.

Die Ruhepause währte dann wider Erwarten drei Tage und dann ging es weiter mit dem englischen Wetter. Ständige Wetterwechsel und Frontdurchgänge machten es allen Pilotinnen schwer. Das Motto hieß eigentlich immer „Heute sicher heimkommen, es ist kein Tag, um Punkte zu machen“. Irgendwie blieb es dabei.

An einem Wertungstag landeten bis auf zwei Teilnehmerinnen alle nach ca. einer Stunde Flugzeit wieder, da das Wetter noch vor dem Abflug dermaßen abbaute, dass man sich noch nicht mal mehr halten konnte. Auch für die Wettbewerbsleitung mit der erfahrenen Wettbewerbspiloten Liz Sparrow waren dies Tage, die sie zur Verzweiflung trieben, aber nur einen Tag aufzugeben kam für sie nicht in Frage. So wurden alle Flugzeuge wieder in die ursprüngliche Startreihenfolge gebracht, wer wollte durfte auch nochmals tanken und somit nochmals über die Waage. 90 Minuten später starteten wir mit einer neuen Aufgabe. Alle Anwesenden, auch Urgesteine unter den Teamcaptains wie Eric Napoleon, hatten so etwas noch nicht erlebt.

In allen drei Klassen trotzten die VDP-Mädels diesen schwierigen Umständen und stimmten sich, unterstützt durch Teamcaptain und Coach Bernd Schmied und Charly Bauder, immer wieder positiv auf die neue Herausforderung ein.

In Summe kam das deutsche Team gut durch den Wettbewerb, auch durch die schwierigen Tage. An einem dieser Wertungstage, an dem einem das Quäntchen Glück nicht fehlen durfte, erwischte es Christine Grote und Katrin Senne mit einer frühen Außenlandung. Während Teamkolleginnen noch in Höhen um die 200 Meter gerade so wieder weg kamen, war für sie der Tag zu Ende. So lagen Glück und Leid auch im deutschen Team nah beieinander. Während Ines Engelhardt und Ulrike Teichmann in der Clubklasse im Freudentaumel über ihre Tagesplatzierung waren, liefen die Pilotinnen der 18-Meter und Standard-Klasse mit gesenkten Köpfen durch die Gegend.

Aber nicht nur den deutschen Mädels ging es so. Auch der letzte Wertungstag schüttelte die Wertung nochmals mächtig durch und die führende Französin und zweifache Weltmeisterin in der Clubklasse gab die Führung mit einer Außenlandung 35 km vor dem Flugplatz ab.

Am Ende wurden die deutschen Mädels Team-Weltmeister, so dass jede mit einem guten Gefühl die Heimreise antrat. Und besonders stolz sind wir auf drei VDP-Pilotinnen, die Treppchenplätze erflogen:

Conny Schaich holte sich den Weltmeistertitel in der Standardklasse, Sabrina Vogt ist in der gleichen Klasse unsere neue Vize-Weltmeisterin. In der Clubklasse glänzten Ines Engelhards Augen wegen der errungenen Bronzemedaille!

Der Jahrhundertsommer endete wettermäßig zwar schon nach dem ersten Wertungstag, aber wir sind mit acht Wertungstagen weit mehr geflogen, als wir es uns je erhofft hatten.