Ihr Weg als Pilotin war nicht vorgezeichnet. Geboren als Beate Dorothea Köstlin am 25. Oktober 1919 im ostpreußischen Wargenau bei Cranz, war sie jüngstes von drei Kindern der Ärztin Margarethe und des Landwirts Otto Köstlin, die ihren Kindern ein solides Leben mit ordentlichen Berufen ermöglichen wollten. Im Alter von etwa acht Jahren erfuhr und träumte Beate von der Sage des Ikarus. Fortan ließ sie der Gedanke ans Fliegen nicht mehr los und beherrschte ihre kindliche Phantasiewelt. Der Traum sollte wirklich werden, aber wie? Sie wollte es den Vögeln nachmachen und dazu brauchte sie zwei Flügel. Also sammelte sie Hühnerfedern und Pappstücke, klebte sie zu zwei Flügeln mit Schlaufen zusammen, in die sie ihre Ärmchen stecken konnte. Mit diesem Fluggebilde stürzte sie sich vom Vordach des Elternhauses – Beate blieb dabei bis auf ein paar Schürfwunden unverletzt. Ihren erschrockenen Eltern gab sie daraufhin das Versprechen, bis zum Schulabschluss von weiteren Flugversuchen abzusehen.
Die Eltern förderten ihre Kinder mit Hingabe. Beate entwickelte sich zu einer guten Sportlerin, die mit 15 Jahren sogar hessische Meisterin im Speerwerfen wurde. Ihr insgeheimer Berufswunsch war unverrückbar. Sie wollte fliegen lernen – Pilotin werden.
Mit 16 reiste Beate Köstlin als Au Pair für ein Jahr nach England, um die englische Sprache zu lernen. Zurückgekehrt in die Heimat absolvierte sie eine solide Hauswirtschaftslehre. Rein zufällig begegnete ihr Vater auf einer Reise in Berlin Wilhelm Sachsenberg, Referent für Motorflug im Deutschen Aero-Club, und erzählte ihm von Beates „verrücktem“ Berufsziel, Pilotin zu werden. Im Gegensatz zu ihrem Vater zeigte Sachsenberg durchaus Verständnis für diesen ungewöhnlichen Wunsch der jungen Dame und schickte der mittlerweile siebzehnjährigen Beate umfangreiche Informationen zur Pilotenausbildung. Das war der Auslöser für alles Weitere und mit letztendlicher Zustimmung ihrer Eltern begann Beate am 7. August 1937 in der Fliegerschule Rangsdorf nahe Berlin ihre Flugausbildung. Bereits drei Wochen nach ihrem Erstflug mit dem Fluglehrer Tobaschefski in einer Heinkel He 72 startete sie zu ihrem ersten Alleinflug. In schneller Folge lernte sie danach weitere Flugzeugmuster kennen, Klemm Kl 25, Focke-Wulf Fw 44 und Bücker Bü 131 Jungmann. Ihre Ausbildung schloss sie mit einem Solo-Überlandflug von Rangsdorf über Magdeburg, Halle und Leipzig zurück nach Rangsdorf erfolgreich ab und erhielt ihren Flugschein an ihrem 18. Geburtstag ausgehändigt.
Rangsdorf entwickelte sich für Beate zur ersten fliegerischen Heimat. Die dortige Bücker Flugzeugbau GmbH wurde auf sie aufmerksam und stellte sie als Praktikantin ein. Hier lernte sie alle Bereiche dieser Firma kennen. Man erkannte schnell ihren Lerneifer sowie ihre Talente und förderte sie. Sie durfte die Schulung auf der Gotha Go145, der Arado Ar 66 bis zur Flugscheinklasse B1 und mit der Kunstflugschulung beginnen. Ihr Fluglehrer war Hans-Jürgen Uhse, in den sie sich augenblicklich verliebte. Im Juli 1938 durfte sie am ersten Zuverlässigkeitsflug für Sportfliegerinnen teilnehmen und belegte mit einer Klemm KL 25 unter 13 Teilnehmerinnen den zweiten Platz – nach der später so berühmten Ingenieur-Testpilotin Melitta Schiller. Kurz darauf nahm sie mit der firmeneigenen Bücker Bü 131 A an einem Luftrennen in Belgien teil. In der Klasse der leistungsschwachen Flugzeuge, ihre Maschine hatte gerade mal 80 PS, errang sie den ersten und in der Gesamtwertung den dritten Platz. Wenige Wochen später gewann Beate auf einer Bü 180 beim zweiten Zuverlässigkeitsflug von 13 Sportfliegerinnen einen respektablen Platz hinter Liesel Bach auf einer Bü 180 und Luise Harden auf einer Siebel Si 202. Organisator dieses Wettbewerbs war Wilhelm Sachsenberg, der sich sehr über die erfolgreiche Fliegerin Beate freute. Am 20. August 1939, einen Tag nach bestandener Kunstflugprüfung K1, führte sie im Auftrag der Bücker Flugzeugbau eine Bü 133 Jungmeister auf der Insel Thurö in Dänemark mit einem 45-minütigem Kunst- und Showflugprogramm vor. Die 15.000 dänischen Zuschauer waren begeistert und beim abendlichen Festbankett wurde sie mit einem silbernen Ehrenteller ausgezeichnet.
Beates Liebe zu ihrem Fluglehrer Hans-Jürgen Uhse blieb von der ersten Begegnung an ungebrochen, aber seine Heiratsanträge lehnte sie mehrfach ab, da sie befürchtete, als Ehefrau das Fliegen aufgeben zu müssen. Trotz alledem förderte er ihre fliegerischen Talente in jeder Hinsicht und entkräftete schließlich ihre Bedenken. So willigte sie ein, aber dann zauderte ihr Vater rund ein Jahr mit seiner Einwilligung und die Hochzeit wurde für den 10. Oktober 1939 geplant. Am 1. September 1939 begann der 2. Weltkrieg und Hans-Jürgen musste am 28. September einrücken. Am selben Tag, kurz vor seiner Abreise, heirateten die beiden mit einer Kriegstrauung.
Beate Uhse hatte jetzt eine Festanstellung bei der Bücker Flugzeugbau. Die empfahl Beate als Double für die nichtfliegenden Filmhelden. Sie war klein und konnte so gut versteckt vom vorderen Sitz aus Flugzeuge fliegen, während die bekannten Schauspieler im hinteren Sitz den Helden mimten in Fliegerfilmen wie „Achtung, Feind hört mit“.
Ansonsten flog Beate meist unspektakulär neue oder reparierte Bücker-Flugzeuge.
Im April 1942 wechselte Beate Uhse zu der in Strausberg ansässigen Flugzeug-Reparaturwerk Alfred Friedrich. Auch hier waren meist Ein- und Überführungsflüge ihr tägliches Arbeitspensum. Zwei Jahre später wurde sie immer häufiger für Überführungsflüge fabrikneuer Junkers Ju 87 von deren Fabrikation in Tempelhof zu verschiedenen Fliegerhorsten engagiert. 1943 kam ihr Sohn Klaus zur Welt. Als Mitarbeiterin in einem kriegswichtigen Betrieb durfte sie aber weiter als Pilotin tätig sein und sogar für ihren Sohn ein Kindermädchen in ihrem Haus in Rangsdorf beschäftigen.
Am 30. Mai 1944 kam ihr Mann Hans-Jürgen bei einem Kampfeinsatz ums Leben. Sohn Klaus war gerade ein Jahr alt und die verwitwete Beate 26, aber sie verschrieb sich sofort wieder der Fliegerei. Maßloser Mut und Leichtsinn prägten fortan ihr Fliegen, als gäbe es nichts mehr zu verlieren. Da fügte es sich, dass aufgrund der drohenden militärischen Niederlage alle verfügbaren Kräfte benötigt wurden, und auch vorher strikt abgelehnte Pilotinnen für militärische Flugeinsätze herangezogen wurden. Für Beate war es der Einsatz als Überführungspilotin fabrikneuer oder reparierter Flugzeuge von den Herstellerstandorten zu den Geschwadern auf den Einsatzflugplätzen.
So verlagerte sich Beates Begeisterung von den kleinen Sport- und Kunstflugmaschinen auf die Jagdflugzeuge, wie die schlanke Messerschmitt Bf 109, die mächtige Focke-Wulf Fw 190 und den ihr schon bekannte Sturzkampfbomber Ju 87 oder ab und zu die zweimotorige Messerschmitt Bf 110. Dabei wurde sie immer wieder von alliierten Jägern angegriffen. Ihre Überführungsflugzeuge waren zwar voll bewaffnet, aber davon konnte sie nicht Gebrauch machen, da sie keine ausgebildete Kampfpilotin war und somit ihre einzige Chance darin bestand, sich im Tiefstflug den gegnerischen Jägern mit großem Mut und viel Glück zu entziehen. So konnte sie alle ihre Überführungsflüge unbeschadet erfolgreich abschließen.
Im Oktober 1944 wurde sie dann offiziell zum Hauptmann ernannt und dem Überführungs-Geschwader 1, Gruppe Mitte mit Sitz in Staaken, zugeteilt. Im April 1945, also rund ein Monat vor Beendigung des 2. Weltkriegs, begann Beate in Staaken noch eine Einweisung auf die zweistrahlige Messerschmitt Me 262, dem modernsten Flugzeug seiner Zeit.
Ebenfalls im April 1945 wurde Berlin von sowjetischen Truppen umschlossen. Ihre Überführungsgruppe wurde von Staaken in den Westen verlegt. Beate Uhse wollte aber nicht ohne Sohn und Kindermädchen fort. Mit großer Mühe konnte sie beide aus ihrem Haus in Rangsdorf holen und nach Gatow bringen, dem einzigen noch offenen Flugplatz im Umkreis von Berlin. Die letzte verfügbare Junkers Ju 52 hätte sie mit ihrem Sohn, aber ohne Kindermädchen mitnehmen können. Beate verzichtete darauf und entdeckte auf dem Platz eine zweimotorige fünfsitzige Siebel Fh 104, die aber als technisch unklar bezeichnet war. Mit einem ebenfalls zurückgelassenen Mechaniker konnte sie das Flugzeug wieder halbwegs technisch in Ordnung bringen und sogar noch auftanken. Sie hatte dieses Flugzeugmuster noch nie geflogen, las die Betriebsanleitung im Schnelldurchgang und startete gen Schleswig-Holstein mit dem Ziel Fliegerhorst Leck. An Bord befanden sich der hilfreiche Mechaniker, zwei Verwundete, ihr Sohn und das Kindermädchen. Nach ihrem Start schaffte kein anderes Flugzeug mehr den Abflug aus Gatow. Es wurde ein abenteuerlicher Flug. Kurz vor Leck musste sie erst einen Angriff englischer Spitfire Jäger auf die dort am Boden stehenden deutschen Flugzeuge abwarten, bevor sie mit minimaler Kraftstoffreserve landen konnte. Britische Bodentruppen nahmen sie in Gefangenschaft. Nach ihrer Entlassung fand Beate mit ihrem Sohn im nahen gelegenen Flensburg ihre neue Heimat. Fliegen, eigentlich die gesamte Luftfahrt, wurde in Deutschland verboten und Beate fand eine neue Lebensgrundlage für sich und ihren Sohn Klaus. Sie schlug sich in dieser schwierigen Nachkriegszeit zunächst mit diversen Haustürgeschäften durchs Leben und lernte dabei die Sorgen und Probleme vieler Hausfrauen kennen. Daraus entstand ab 1951 mit einer Hand voll Angestellten ihr Beate Uhse Versandhaus mit zahlreichen in- und ausländischen Filialen. Ihre Zielstrebigkeit zeigte sich im erfolgreichen Börsengang im Jahr 1990. Jetzt konnte sie ihre nie versiegenden Fliegerträume mit dem Kauf einer Cessna 172 wieder Wirklichkeit werden lassen.
1949 heiratete sie den Kaufmann Ernst-Walter Rotermund, der seinen Sohn Dirk und seine Tochter Bärbel mit in die Ehe einbrachte. Mit Rotermund bekam sie einen weiteren Sohn Ulrich. Beates Privatleben war auch in der Nachkriegszeit von Schicksalsschlägen bestimmt. Die Ehe wurde 1972 geschieden. Ein eigenes Magenkrebsleiden überstand sie Anfang der achtziger Jahre – nicht so ihr erster Sohn Klaus, er starb 1984.
Bis ins hohe Alter blieb die Trägerin des Bundesverdienstkreuzes eine begeisterte Kunstfliegerin, machte noch mit 75 den Tauchschein, spielte Tennis und Golf.
Einer durchaus positiven Entwicklung der Aktien ihres ehemaligen Unternehmens folgte der totale Absturz, der 2017 zur Insolvenz führte. Dies zu erleben, blieb Beate erspart. Sie verstarb in 2001 im Alter von 81 Jahren an einer Lungenentzündung.