Im Alter von 30 Jahren umrundete Shaesta Waiz 2017 solo die Welt – in einer Beech S35 Bonanza. Der jüngste Mensch, der diese Leistung vollbracht hat, ist ein Mann und heißt Travis Ludlow. Das war 2021. Er war beim Rekordversuch 12 Jahre jünger als Shaesta und mit einer Cessna 172 Skyhawk unterwegs. Kurz nach seiner Rückkehr ging eine fast gleichaltrige junge Frau auf Rekordjagd, die sie am 20. Januar 2022 – nach 5 Monaten – erfolgreich beendete.
Die Pilotin
Zara Rutherford ist 19 Jahre alt und hat Abitur mit den Schwerpunkten Mathematik, Wirtschaft und Physik gemacht. Sie will Informatik bzw. Elektrotechnik studieren. Ihr Traumberuf ist Astronautin. Für die Zeit zwischen Schule und Studium hat sie sich eine Weltumrundung im Alleinflug vorgenommen.
Zara wurde in eine Familie von Fliegern hineingeboren. Ihre Eltern sind beide Piloten. Ihre Mutter, die Belgierin Beatrice De Smet, ist Juristin und leidenschaftliche Fotografin. Sie hat den PPL und viel Flugerfahrung in Afrika. Ihr Mann, Sam Rutherford, ist Brite und war beim British Army Air Corps. Er ist u.a. Ferry Pilot und fliegt sowohl Fläche als auch Hubschrauber.
Der Plan
Zara fällt irgendwann auf, dass sie gleich drei Guinness-Weltrekorde aufstellen könnte:
- Jüngste Frau, die allein um die Welt fliegt
- Erste Frau, die allein in einem Ultraleichtflugzeug um die Welt fliegt
- Erste Belgierin, die allein mit einer einmotorigen Maschine die Welt umrundet
Zara will aber nicht nur Weltrekorde aufstellen, sie hat auch eine darüber hinausweisende Mission. Auf ihrer Website schreibt sie: Mein Ziel ist, Mädchen und junge Frauen für die Luftfahrt und MINT-bezogene Berufe (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik) zu begeistern. Schließlich sind nur 5 % der Verkehrspiloten und 15 % der Informatiker Frauen. In beiden Bereichen ist das Geschlechtergefälle enorm. Unsere Träume werden in der frühen Kindheit geformt. Kindern werden Märchen wie Dornröschen erzählt, in denen der mutige Prinz an gefährliche Orte reist. Die Prinzessin ist schön, schläft und wartet auf den Prinzen, der sie rettet. Jungen lernen aus Geschichtsbüchern, von Straßenschildern und Skulpturen, dass sie Wissenschaftler, Astronauten oder Geschäftsführer werden können. Sie erhalten viel häufiger technisches Spielzeug und werden gefordert, Mut zu zeigen. Mädchen bekommen Puppen geschenkt, und von ihnen wird erwartet, dass sie charmant, schön und süß sind. Unsere Erziehung prägt unsere Träume. Durch ihre Weltumrundung will Zara Frauen zu alternativen Träumen jenseits der Geschlechtsstereotype ermutigen.
Die Vorbereitung
Eine Weltumrundung kostet viel Geld und bedarf einer intensiven Planung. Zara hat ihre Ersparnisse eingebracht und ihr Auto verkauft. Und es konnten Sponsoren gewonnen werden.
Uneingeschränkt unterstützt wird sie von ihren Eltern, die stolz auf sie sind – und zugleich besorgt. Das erklärt sich nicht zuletzt daraus, dass ihr Vater 2019 während eines Schneesturms in der nordkanadischen Wildnis abgestürzt ist – sein Copilot starb dabei. Gerettet wurde er weil er – nach dem Aufwachen aus der Bewusstlosigkeit – seiner Frau in Europa eine SMS schickte. Die alarmierte die Rettungskräfte. Kein Wunder, dass Zara in der Vorbereitungsphase auch ein Transatlantik-Training absolvierte.
Natürlich musste die Route akribisch geplant und Visa sowie Überfluggenehmigen eingeholt werden. Besonders war die jeweilige aktuelle Corona Lage in den einzelnen Ländern zu berücksichtigen – was immer wieder Routenänderungen erforderlich machte und die Reisedauer erheblich verlängerte.
Das Flugzeug
Shark Aero ist ein Tandem-Ultraleichtflugzeug mit short wings (7,9 m), Einziehfahrwerk, Verstellpropeller und einer reichen Cockpitausstattung. Das UL wurde als schnelles Streckenflugzeug konzipiert und aus Kohlefaser-Epoxid-Verbundwerkstoff gefertigt. Die Shark ist kompromisslos auf Aerodynamik optimiert, zählt zu den schnellsten Ultraleichtflugzeugen und hat verschiedene Geschwindigkeitsrekorde aufgestellt. Sie ist mit einem Rotax 912 ULS 100 PS Aggregat motorisiert, das einen Woodcomp 2-Blatt-Verstellpropeller antreibt. Ihre Reichweite beträgt 1.600 km und die optimale Reisegeschwindigkeit liegt bei 250 – 270 km/h, als VNE gibt der Hersteller 333 km/h an.
Die Reise
Eine Reise wird dann zur Weltumrundung, wenn man sie am Startpunkt auch wieder beendet. Darüber hinaus muss man zwei antipodische Punkte überfliegen – Punkte, die einander auf dem Globus gegenüberliegen. Bei Zara sind das die Städte Quibdó im Nordwesten von Kolumbien und Jakarta in Indonesien.
Gestartet ist Zara am 18.08.21 in der belgischen Stadt Kortrijk. Über UK ging es nach Island, Grönland und Kanada. Schon am 26.08. erreichte sie New York City, umrundete die Freiheitstatue und landete auf JFK – Feuerwehrleute begrüßten sie mit einem Spalier aus Wasserfontänen.
Auf Südkurs flog sie nach Florida, den Bahamas und schließlich nach San Salvador sowie Kolumbien. 2 ½ Wochen nach Reisebeginn landete sie im erwähnten Quibdó (antipodischer Punkt Nr. 1). Quibdó ist allerdings die regenreichste Stadt der Welt und Zara musste zwei Tage auf ein Fenster mit gutem Wetter lauern.
Jetzt kämpfte sie sich wieder nordwärts. Um den antipodischen Punkt Nr. 2 zu erreichen musste sie bis Alaska fliegen – anders keine Chance, nach Asien zu gelangen. Costa Rica, Mexico, USA – in Los Angeles wurde sie sogar von Richard Branson empfangen. Branson twitterte: „It was wonderful to meet Zara Rutherford on Necker during her solo flight around the world. We went paddle-boarding, explored the island and talked non-stop about our shared love of adventure.”
Aber die Reise Richtung Norden dauerte länger als geplant. Zara berichtet von heftigen Turbulenzen, starkem Rauch durch Waldbrände und technischen Pannen, bei denen das Fahrwerk streikte bzw. ihr Pitotrohr defekt war.
In Nome, Alaska, kam sie am 30.09 deutlich verspätet an. Ihr Visum für Russland war zwischenzeitlich ausgelaufen und sie musste auf ein neues warten. Und das dauerte! Erst nach gut einem Monat konnte sie weiterfliegen – mehr als 30 Tage in einem klirrendkalten 4.000 Seelennest an der Beringstraße. Eine Weltumrundung ist wahrlich kein Honigschlecken. Das zeigte sich immer wieder in den nächsten Monaten! Am 1. November erreichte sie das russische Anadyr. Weiter nach Magadan (als Gulag-Durchgangslager bekannt). Wieder eine gute Woche durch schlechtes Wetter aufgehalten. Dann Ayan – knapp 1.000 Einwohner und fast 1.500 KM nördliche von Khabarovsk (unweit der chinesischen Grenze), ihrem nächsten Ziel in Russland. Es ist dort mit Temperaturen von –11 bis -15 Grad verdammt kalt und sie hat schon wieder eine fünftägige Zwangspause auszuhalten. Der Plan, die Erdumrundung bis Mitte November zu schaffen, ist ausgeträumt.
Ein Reporter der SZ (16.01.2022) fragt sie danach, was man denn so in Ajan und Nome mache:
Wenn das Wetter wirklich schlecht war, habe ich mich entspannt oder mich um das Flugzeug gekümmert. Wenn es aber ein wenig Hoffnung auf besseres Wetter gab, habe ich meist den Tag am Flughafen verbracht und gewartet, dass es aufklart und ich doch starten kann. Das passierte allerdings in der Regel nicht, sodass ich Stunden über Stunden beim Warten am Flughafen verloren habe. Frustrierend.
Und ob es Verständigungsprobleme gab bzw. ob sie sich Geldsorgen gemacht habe angesichts der Verzögerungen:
Ja, in Ajan spricht niemand Englisch. Aber die Menschen waren extrem großzügig, haben mich ständig zu Tee oder zum Essen eingeladen und mir immer zu helfen versucht. Dafür bin ich sehr dankbar. Ja, ich habe mir wirklich Sorgen gemacht. Vor allem Asien ist extrem teuer für Piloten. Aber ich denke, am Ende werden die Sponsorengelder so gerade die Kosten gedeckt haben.
30. November – endlich kann sie nach Wladiwostok weiterfliegen. Erneut 10 Tage Zwangspause. Dann nimmt die Weltumrundung endlich wieder Fahrt auf. Südkorea mit jeweils einer Landung in Gimpo und Muan (unweit von Seoul). Weiter geht nach Taipeh und dann muss sie sich sputen, denn sie kommt fast gleichzeitig mit dem Tropensturm Kompasu auf den Philippinen an. Zara schafft es zwischen zwei Fronten durchzuschlüpfen. Schnell weiter nach Malaysia und Indonesien, wo sie am 21. Dezember in Jakarta den 2. Antipodischen Punkt erreicht. Nun geht es quasi in Richtung Heimat bzw. Ausgangspunkt der Reise.
Weihnachten verbringt Zara allein in Singapore. Über Sri Lanka (Colombo) fliegt sie bis Mumbai und verlässt Indien dann Richtung Vereinigte Arabische Emirate, wo sie am 2. Januar landet. Die nächste Station ist Saudi Arabien (Riad und Tabuk). Darauf folgt Alexandria in Ägypten. Über Kreta, Sofia ging es zum Hersteller ihrer Shark in der Slowakei (LZSE). Am 16. Januar wollte sie eigentlich in Prag landen. Wetterbedingt hat sie aber nur das gut 40 KM südöstlich von Prag gelegene Benesov (LKBE) erreicht. Das Wetter hat mehr nicht zugelassen. Und der Nebel bzw. die widrigen Wetterbedingungen machen ein Weiterkommen unmöglich. Egelsbach erreicht sie am 19.01. und die Heimkehr nach Kortrijk (Startpunkt in Belgien) gelingt endlich am 20.01. Dort gibt es endlich die Willkommensparty. Auf einer Pressekonferenz gibt sie dann den Journalisten Futter und lässt sich von ihren Fans feiern. Sie kann nun Fragen beantworten und Einblicke geben wo ihr während der Reise auch mal mulmig zumute gewesen ist …
Als ich zum Beispiel über Sibiriens Wildnis geflogen bin, habe ich daran denken müssen, was nach einer Notlandung passieren würde. Da ist kein Mensch. Wie lange hätte ich bei minus 35 Grad überleben können, wenn Rettungshubschrauber oder Flugzeuge Stunden zu mir brauchen würden? Und in Grönland wären in so einem Fall neben der Kälte auch Eisbären eine große Gefahr gewesen. In Kalifornien war einmal wegen des Rauchs der Waldbrände alles nur noch braun um mich herum. Ich konnte weder den Boden noch den Himmel erkennen.
Und in Singapur bin ich bei schlechter Sicht aus Versehen zu nah an ein Gewitter geraten. Denen weiche ich sonst natürlich aus. Ich dachte, es ist nur ein heftiger Regenschauer, und dann sehe ich plötzlich einen Blitz. Da war ich erschrocken. Beim Thema Gewitter habe ich eh schlechtes Timing bewiesen. Als ich in Dubai landen wollte, gab es dort auch ein Gewitter – das erste seit zwei Jahren. Ich musste einen anderen Flughafen ansteuern. (SZ 16.01.2022)
Und was war ihr tollstes Erlebnis auf der Reise ?
Jedes Land ist einzigartig, doch über Saudi- Arabien zu fliegen war eine unglaubliche Erfahrung. Es ist wunderschön, überwältigend. Die Menschen dort sind ebenfalls sehr freundlich. Eine spannende Erfahrung war auch die sibirische Wildnis, Ich komme aus dem dicht besiedelten Brüssel, und Sibirien ist so dünn besiedelt, da sieht man keine Straßen, keine Stromkabel, nichts.
Wer die Reise im Detail nachvollziehen will, sollte Zaras Website aufrufen: https://flyzolo.com
Hut ab vor ihrer Leistung – die keineswegs nur eine fliegerische ist! Und wir wünschen uns, dass sie viele Frauen für das Fliegen und die Technik begeistert!
Alle Fotos (c) FlyZolo außer Zara als Baby (c) Beatrice De Smet
[…] zu werden. Hochkarätige Fliegerinnen wie Zara Rutherford, die als jüngste Pilotin mit einem UL die Welt umrundet hat (vgl. unseren Bericht), diskutieren über Frauen in der […]