Projekt Beschreibung

Blumentopf gewonnen

In: DER SPIEGEL vom 2. Juni 1969

So berichtete der SPIEGEL 1969 über die Goldene Rose von Peine (Archivauszug)

Notgedrungen verzichteten 19 Damen auf die „Goldene Rose von Eddesse“. Sie hatten keine Partnerinnen gefunden und behalfen sich mit Männern. Nur Damen-Besatzungen durften bei der größten, Pilotinnen vorbehaltenen Luft-Rallye Europas die Goldene Rose (20 Zentimeter lang, 585er Gold) erfliegen. 19 von 31 einmotorigen Sportflugzeugen, die am letzten Wochenende auf dem Peiner Flugplatz Eddesse gemeldet waren, hatten einen männlichen Ko-Piloten an Bord. Das Stuttgarter Mannequin Heide Linsemann heuerte für den Frauenflug den hochdekorierten Kriegsflieger Adolf Galland an. Die besten Mix-Besatzungen gewannen silberne Tabletts oder einen Blumentopf.

„Das Fliegen zeigt uns das wahre Gesicht der Erde“, hatte 1929 der französische Flug-Poet Antoine de Saint-Exupéry geschrieben. Die Amerikanerin Amelia Earhart versuchte die Luftabenteuer des Franzosen nachzuvollziehen. Sie flog 1932 als erste Frau solo über den Atlantik. Fünf Jahre später blieb sie nach dem Start zum Alleinflug über den Pazifik verschollen. Die Amerikanerinnen organisierten als erste auch einen Damenluftkampf, das „Puderquasten-Derby“.

Als 1955 in der Bundesrepublik der Motorsportflug wieder zugelassen wurde, drängten auch bundesdeutschen Sportpilotinnen zunehmend an die Steuerknüppel. Der ehemalige Kampfflieger Kurt Müller aus Kempten siegte 1957 beim Deutschland-Flug mit seiner Tochter Ingrid als Navigatorin. Vier Jahre darauf flog das Mädchen selbst, während Vater Müller Karten studierte und das wahre Gesicht der Erde erkundete. Ingrid Müller, 29 („Fliegen ist leichter als Autofahren), leitet seit sieben Jahren eine Flugschule und ein Alpenflugunternehmen. Der Vater arbeitet bei ihr als Fluglehrer.

1965 staunten die männlichen Deutschlandflug-Teilnehmer, als ihnen das Nürnberger Damen-Team Erika Schörner und Helen Doetsch davonflog. Erst bei der Ziellandung in Bonn verpaßten der weibliche „Emil (Fachjargon für Pilot) und „Franz (Navigator) die Landemarkierungen und büßten ihren Vorsprung ein.

Inzwischen erwarben 238 Bundesbürgerinnen eine Fluglizenz; sie setzt 70 Lehrstunden voraus und kostet ungefähr 2500 Mark. In Worms gründeten die bundesdeutschen Luftsportlerinnen ihr eigenes Damenkränzchen: die „Vereinigung Deutscher Pilotinnen“. Zur Präsidentin wählten sie die Münchnerin Mutz Trense. Unter 34 Mitgliedern schrieben sich Unternehmerinnen ein wie die Chemikerin Dr. Marie Luise Weßel mit ihrer Ko-Pilotin, der Baronin Erika von Griesheim aus Sobernheim, Hausfrauen und ehrgeizige Flugsportlerinnen wie die Düsseldorferin Karla Tessmer, die sich sogar für den Luftrettungsdienst qualifizierte.

Fast alle Vereins-Pilotinnen beteiligten sich an der Damen-Rallye nach Peine. Aus Bremen fiel der „Zollernadler“ ein, eine Cessna 172 in Preußens Farben schwarz-weiß. Eigner: Prinz Louis Ferdinand von Preußen. Getreu dem Rallye-Reglement bewältigte das Damen-Geschwader ohne männlichen Zuspruch Navigation, Pünktlichkeitsanflug und Ziellandung nach einer genormten Platz-Anflug-Karte („Meidet Ortschaften“), die als besondere Gefahrenquelle verzeichnet: „Großer Schornstein“.

„Fliegen erzieht zur Persönlichkeit“, versicherte der Veranstalter und niedersächsische Flugplatzbesitzer Günter Grassmann. Seine Ehefrau Silvia fliegt selber mit. In zwei Jahren will Grassmann auch Ausländerinnen einladen. „Die sportlichen Leistungen dienen dem Selbstbewußtsein der Fliegerinnen“, verkündete Peines Landrat Peters. Auch er ist — eine Frau.