Projekt Beschreibung

9. Frauen Segelflug Weltmeisterschaft in Zbraslavic/Tschechien vom 20. Mai – 4. Juni 2017

Text von Gisela Weinreich

Eröffnung der WM in Zbraslavice

Während die Segelflug Weltmeisterschaft in vollem Gange war, blieb nur wenig Zeit für ein paar Kurznachrichten oder Fotos über WhatsApp „Pilotinnen“. Darüber hinaus hatte kiddyfly mit Tempo zum WM Ereignis recherchiert und Links gepostet, um die VDP Mitglieder zeitnah zu informieren. Zbraslavice liegt ca. 60 km Luftlinie südöstlich von Prag. Der Flugplatz hat eine 780 x 150 m breite Graspiste, Elevation 493 m, einige Hallen, reichlich Abstellflächen für die Flugzeuge, Wassertankstellen, Campingplatz, ein Restaurant und einen schönen Pool, kurz,ein Gelände, auf dem man sich wohlfühlen konnte. Dazu trug eine nahezu perfekte Organisation bei und ein hervorragender Meteorologe, der mit seinen Vorhersagen fast immer ins Schwarze traf und die passenden Streckenaufgaben in das Wetterfenster einpasste.

Zur Meisterschaft kamen 50 Pilotinnen aus 12 Nationen, die meisten aus Europa, aus Australien, USA und Argentinien, während 2 Pilotinnen aus Russland in letzter Minute absagen mussten. Das Deutsche Team war mit 10 Pilotinnen vertreten, davon sind 5 von Ihnen Mitglied in der VDP.

Zbraslavice gehört zur Region Zentral Böhmen, geprägt von einer schönen, hügeligen Landschaft und bekannt als eine thermisch bevorzugte Gegend. Mitte Mai, so früh im Jahr, hatten wir schon lange keine Segelflug Weltmeisterschaft in Europa geflogen, entsprechend fiel der Blick auf die Wetterkarten skeptisch aus. Aber das kontinentale Klima im südöstlichen Böhmen zeigte sich von seiner besten Seite und ließ 12 Wertungstage bei dieser Meisterschaft zu.

Gleich in den ersten beiden Wettbewerbstagen hatte das Deutsche Team herbe Ausfälle zu verkraften. Die Hoffnungsträgerinnen der Mannschaft, Sue und Christine, konnten nach einer unsanften Landung nicht mehr weiter fliegen. Die gute Nachricht: Beide Pilotinnen sind Gott sei Dank gesund und die Flugzeuge reparabel. Die Deutsche Mannschaft mußte erst einmal durchatmen, bevor sie im Wettkampf wieder Tritt fassen konnte, was aber immer besser gelang. Sabrina meinte cool, es genüge, konstant 85 % der Punkte des Tagessiegers zu fliegen, um am Ende ganz vorne dabei zu sein. Am 10. Wertungstag war die junge Australierin Ailsa McMillen mit 200 Punkten Vorsprung davongezogen vor der Zweitplazierten Sabrina Vogt. Ailsa war Novizin dieser WWGC, sie war in Europa eine Noname und wurde nicht als Hauptkonkurrentin gesehen. Sabrina war beeindruckt und meinte anerkennend: „ Ich hatte sie gar nicht auf dem Schirm“!
Die letzten Wertungstage waren in allen Klassen spannend. Es galt, geschickt zu taktieren, die Nerven zu behalten, selbstbewußt zu handeln. Mut zum kalkulierten Risiko einzugehen war gefragt, denn ein stures Hinterherfliegen hinter einer Spitzenreiterin, kann nichts bringen, wenn man Punkte aufholen muss. Im Gegenteil, die Kunst ist, entlang der Kurslinie Aufwindreihungen zu erkennen, starke Aufwinde ohne zeitraubende Suchkreise zu zentrieren, nur die stärksten Aufwinde anzunehmen und die Schnittgeschwindigkeit zu erhöhen, d.h. den Kurbelanteil auf der Strecke zu minimieren und den Endanflug zu optimieren.

Wir am Boden konnten mit Hilfe eines Tracking Systems die Flugzeuge auf ihrer Strecke am Bildschirm verfolgen. Open Glider Network, OGN ist das Zauberwort, die Anwendung ein Novum bei einer Weltmeisterschaft. Technisch ist das möglich, weil jedes Flugzeug mit einem Flarmgerät ausgerüstet sein muss mit einer ID Kennung und registriert bei OGN. OGN ist ein reines Tracking System in real time und nutzt die Positionsdaten, die das Flarmgerät sendet. Zum Empfang dieser Daten muss eine OGN Antenne am Boden installiert sein. Wir waren in Echtzeit über die Position der Pilotinnen informiert, Steigwerte, Abflugzeit, sahen den Verlauf des Kurses auf der vorgegebenen Strecke. Wurden Umwege geflogen, rätselten wir darüber und konnten den Grund nur vage erahnen. Es nervt die Bodenmannschaft , wenn die Piloten nicht abfliegen wollen, einen Scheinabflug machen und wieder zurückkehren, nur, um nicht als „Boje“ auf der Strecke von der Konkurrenz ausgenutzt zu werden. Durch OGN konnten wir die taktischen „Spielchen“ vor dem Abflug live miterleben, nicht gerade zum Wohlgefallen der Pilotinnen, deren taktische Entscheidungen nun für alle in Echtzeit sichtbar sind. Bodenmannschaften können ihre Pilotinnen mit allen Informationen über die Konkurrentinnen versorgen. Manche grübeln schon, ob Bodenmannschaften zu viel Einfluß nehmen könnten. Zu was wird das führen, zum remote Fliegen am Ende?

Die 9th FAI Women World Gliding Championships waren ein großer Erfolg und eine Glanzleistung im wahrsten Sinne des Wortes für die Deutsche Mannschaft. Sabrina Vogt wurde zum zweiten Male Frauen Segelflug Weltmeisterin in der Clubklasse, Sarah Drefenstedt holte sich Bronze. In der Standardklasse wurde Cornelia Schaich Vize Weltmeisterin und in der 18 m Klasse holte sich Katrin Senne nach 10 Jahren zum 2. Mal den Frauen Weltmeistertitel.
Nach der Siegerehrung galt es Abschied von allen Teilnehmern zu nehmen. Drei Wochen im Wettkampfmodus trugen dazu bei, ein Gemeinschaftsgefühl entstehen zu lassen, sich besser kennenzulernen, zu respektieren und Freundschaften zu knüpfen. Wir sollten unbedingt wiederkommen, haben uns Mitglieder des Aeroclub Zbraslavice zugerufen. Warum nicht! Ein Fly out nach Zbraslavice wäre ein interessanter Ausflug, für den man nicht einmal einen Flugplan braucht, allerdings ein 8,33 kHz Raster Funkgerät. Der Flugplatz LKZB ist auch für Motorsegler und Ultralight Flugzeuge zugelassen. Ein Hotel liegt 5 Minuten
zu Fuß in Reichweite. Hotels und das Leben in der Tschechei sind sehr preiswert. Am Bahnhof in Zbraslavice, nur 1,3 km vom Flugplatz entfernt, hält der Zug nach Kutna Hora, Fahrzeit 20 Minuten, zur zweitschönsten Kulturstadt der Tschechei gleich nach Prag.

Als Jury Präsidentin der FAI habe ich die 9. Frauen Segelflug Weltmeisterschaft eröffnet, begleitet und schließlich für gültig und beendet erklärt, sowie die FAI Fahne dem Organisator der 10th WWGC übergeben. Diese soll 2019, nach einem Beschluss der International Gliding Commission, in Lakekeepit in Australien stattfinden.

Gisela Weinreich