
Rund um das Baltische Meer
Eine Gruppenreise mit dem Fliegermagazin.
Von Corinna Bockelmann
Die Ostsee gehörte für meinen Mann und mich zu den unerkundeten Regionen Europas, so dass eine organisierte Reise mit diesem Ziel sehr schnell unser Interesse fand. Wer jemals eine Fliegerreise mit Thomas Borchert und dem Fliegermagazin erlebt hat, weiß, dass sie sehr gut geplant, vorbereitet und organisiert sind. Das kulinarische kommt keinesfalls zu kurz und weniger erfahrene Piloten profitieren vom Erfahrungsschatz der Mitreisenden.
So hat sich eine Gruppe von 23 Teilnehmern mit 13 Flugzeugen unterschiedlichster Leistungskategorie am 12. September 2023 am Flugplatz Schönhagen zum gemeinsamen Brunch, Briefing und anschließendem Start getroffen. Zunächst ging es nach Ketzrzyn/Rastenburg (EPKE) im Osten Polens. Zu den Herausforderungen der Reise gehörten neben der aktuellen politischen Situation die Möglichkeiten der AVGAS-Betankung. Für Flugzeuge kürzerer Reichweite wurde deshalb ein Tankstopp in Bydgocz (EPBY) eingeplant. Ketrzyn ist der Flugplatz der Wolfsschanze – wobei die ursprüngliche Betonpiste, die auch Graf von Stauffenberg damals zu Flucht benutzt hat, heute nicht mehr in Betrieb ist. Stattdessen landet man auf einer langen und recht holprigen Graspiste. Wie die meisten Plätze auf der Route ist der Platz unkontrolliert und ohne Flugleitung. Mit guter Kommunikation und Absprache in einer Gruppe ist das kein Problem.
Vom Flugplatz ging es mit dem Bus nach Mikolajki, ein aufstrebender Urlaubsort in den masurischen Seen. Wir haben mit wunderbarem Blick auf einen See genächtigt und in fußläufiger Entfernung am Jachthafen gegessen. Am nächsten Tag gab es eine kleine Bustour mit lokaler Reiseführerin durch die Region und anschließend eine Besichtigung der Wolfsschanze, den Ruinen des sog. Führerhauptquartierts, in dem am 20. Juli 1944 das Attentat auf Hitler durch die Gruppe um Staufenberg stattfand. Auf Grund des Heranrückens der Roten Armee gab Hitler wenige Wochen nach dem Attentat den Befehl, die Betonanlagen zu sprengen. Bis zu 9 m dicke Betonwände wurden durch die gewaltigen Explosionen zerrissen und mehrere Hundert Meter durch den Wald geworfen. Dieses riesige Ruinenfeld strahlt schon eine beklemmende Atmosphäre aus, auch wenn es die Natur immer weiter überwächst.
Am Nachmittag flogen wir weiter in Richtung NIDA (EYNI)/Litauen. Landungen in Litauen und Lettland müssen derzeit vorab auf einer offiziellen Seite angemeldet und die Genehmigungsdaten in den Flugplan eingetragen werden. Die Route führte im ¾ Kreis um die russische Exklave Kaliningrad. Auch wenn wir vorher darüber spekuliert hatten, ob es GPS-Probleme geben könnte, war wir doch überrascht, dass die meisten vor oder nach dem Start im Navigationsgerät keinen GPS Empfang hatten. Die Vorbereitung mit Papierkarte, Flugplanung mit Kursen und Zeiten war gut angelegte Zeit – mal etwas anderes als iPad oder Glascockpit. Der Korridor zwischen Kaliningrad und Weißrussland ist durch die Flugverbotszonen gar nicht so breit und die mehreren Tausend masurischen Seen unterscheiden sich aus der Luft auch nicht so sehr. Die FIS in Litauen wollte uns zudem keine Vektoren geben. Die Zeit ohne GPS betrug etwa 20 Minuten, unter den besonderen Bedingungen war das aber durchaus eine lange Zeit. Der Landeanflug auf Nida erfolgte aufgrund der Sprachbarriere eher selbstkontrolliert. Durchaus spannend: Unmittelbar südlich vom Platz liegt die Grenze zu Kaliningrad – also zu Russland.
Der Empfang in Nida war herzlich – nachdem alle gelandet waren, wurde uns eine Aufführung mit litauischer Folklore geboten. Die schönen Holzhäuser sehen skandinavisch bunt aus und sind überraschend alt. Unbedingt sehenswert ist das Ferienhaus von Thomas Mann, in dem wir bei Musikbegleitung wunderbare Hintergrundinformationen bekommen haben. Nida und die kurische Nehrung waren in den zwanziger Jahren bei Künstlern und Intellektuellen sehr beliebt – durchaus verständlich angesichts der so reizvollen Landschaft. Eine hervorragend geführte Busrundfahrt am nächsten Tag sowie eine Schifftour übers Haff brachte uns zu weiteren Sehenswürdigkeiten und immer wieder nahe an die russische Grenze.
Gegen Mittag sollte es mit Tankstopp in Palanga (EYPA) nach Riga/Spilve (EVRS) weitergehen. Bei der recht großen Gruppe und dem sehr umständlichen Tankverfahren dauerte dieser Stopp bis zu drei Stunden, so dass die letzten erst am frühen Abend in Spilve landen konnte. Der Flugplatz Spilve wird für Privatflieger genutzt und zeigt sowohl an der Bahn als auch am alten Flughafengebäude Zeichen des Niedergangs. Der Anflug ist mit 800 ft. über dem Hafengelände sportlich tief und trotzdem ohne Flugleitung.
Riga als alte Hansestadt hat viel für das Stadtbild getan und ist reich an Sehenswürdigkeiten. Eine Stadtführung am nächsten Tag vermittelte uns einen Eindruck. Gegen Mittag mussten wir weiter über die finnischen Schären nach Mariehamn (EFMA). Nach den bisher immer sommerlichen Temperaturen wurden wir jetzt mit nordischer Frische konfrontiert. Wir waren in traumhaften Cliffhäusern untergebracht – auf die Felsen gebaute Ferienwohnungen mit direktem Ostseezugang und Sauna. Trotz einsamer Lage wurden wir mit nordischem Flair und fantastischem Essen belohnt.
Am nächsten Tag flogen wir nach Visby (ESSV) auf Gotland – unserer letzten gemeinsamen Station. Für Interessierte ist ein Abstecher durch die Kontrollzone Stockholm mit Flug über das schwedische Königshaus ein nur kurzer Umweg. Eine geführte Inseltour brachte uns zu den Raukar Felsen und in die Altstadt von Visby, in der wir auch übernachteten.
Visbys Altstadt ist ein touristischer Hotspot mit vielen Lokalen und Attraktionen. Nach einem sehr schönen Abend und einem etwas wehmütigen Abschied am Morgen machten sich alle auf den Rückweg oder die Weiterreise. Wir selbst haben den Rundflug mit einem Stopp auf Rügen abgeschlossen.
Sehr angenehm war, dass wir während der ganzen Reise bestes Flugwetter mit überwiegend sommerlichen Temperaturen hatten. Damit hat sich das ganze Baltische Meer von der schönsten Seite gezeigt. Die Stationen der Reise waren kurz, konnten nur eine Idee von den Schönheiten und Sehenswürdigkeiten geben und zum Wiederkommen anregen. Einen großen Dank an Thomas Borchert und Isabella Sauer für die hervorragende Vorbereitung und großartige Reiseleitung, die auch die außergewöhnlichsten Schwierigkeiten lösen konnte.